Möchtest du gern unabhängig sein? Vermutlich schon. Ich glaube, es gibt niemand, der an dieser Stelle nun sagt, dass er gerne abhängig ist. Wer ist denn schon gerne abhängig? Wir wollen immer gerade das tun, worauf wir Lust haben. Den wir selbst stehen im Zentrum unseres Lebens. Es geht um uns und um niemanden sonst, oder?
Immer mehr Menschen haben den Drang nach Unabhängigkeit. Jeder will sein Ding machen. Immer mehr machen sich selbständig, um der Abhängigkeit des Angestelltenseins zu entfliehen. Finanzielle Unabhängigkeit und ortsunabhängig arbeiten sind richtige Modewörter geworden. Wir alle wollen diesem Hamsterrad, das dieses Leben scheinbar birgt, um jeden Preis entfliehen. Wir alle wollen frei sein.
Auch in Beziehungen wird dies immer mehr sichtbar. Immer mehr Menschen erkennen, dass die Art von Beziehungen, so wie sie von den meisten von uns gelebt werden, nicht so richtig funktioniert. Anfangs verliebt und alles scheint gut zu sein, und ehe man sich versieht, ist man wieder an dem Punkt, an dem die Toxizität sich breitmacht. Dann geht’s zum nächsten Partner und ehe man sich versieht, landet man irgendwie wieder am gleichen Punkt. Auch hier wollen wir mehr Freiheit und Unabhängigkeit und immer mehr experimentieren mit Polyamorie oder offenen Beziehungen. Oder wir gehen erst gar keine Beziehungen ein und hüpfen daher an der Oberfläche vom einten zum nächsten Partner und betiteln das Ganze obendrein noch mit freier Liebe. Oder wir machen uns unnahbar, denn wir sind ja alleine schon vollkommen und brauchen niemanden, der uns komplett macht oder?
Versteh das bitte nicht falsch. An all diesen Dingen ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Ich habe diese Beispiele gewählt, weil es Bereiche sind, die uns alle betreffen. Ich gehöre selbst zu denen, die den Wunsch nach Selbständigkeit verspüren und auch ich hatte schon mehr als eine Beziehung, die im Toxischen geendet haben. Was ich aber bei mir selbst und auch bei anderen oft beobachtet habe, dass wir uns durch diesen Wunsch der Unabhängigkeit komplett in den Einzelkämpfer Modus begeben haben. Wir schauen weder links noch rechts, sondern nur noch auf uns und das, was wir gerade wollen. Aus dieser immensen Angst vor der abhängig zu sein, haben wir uns aber nicht in die Unabhängigkeit begeben, sondern uns in eine Getrenntheit getrieben.
Was aber, wenn du gar nicht unabhängig sein kannst? Bist du nicht abhängig von deinem Zuhause? Von Wasser und Strom? Davon, dass die Supermärkte geöffnet haben, damit du essen einkaufen kannst? Von der Gravitation und der Erde, die dich in jedem Moment trägt? Bist du nicht in jeder Sekunde abhängig davon, dass dein Herz weiterschlägt und dich somit am Leben hält?
Wie können wir nun der Abhängigkeit entkommen, wenn es scheinbar gar nicht geht?
Wir leben in einer dualen Welt. Alles hat zwei Seite. Alles birgt Licht und Schatten in sich. Abhängigkeit scheint offenbar ganz klar die Schattenseite zu sein. Aber was ist denn die Lichtseite? Ich glaube nicht, dass es Unabhängigkeit ist.
Ich glaube, die Lichtseite von Abhängigkeit ist Verbundenheit.
Ist dieses Verlangen und Streben nach Unabhängigkeit vielleicht nicht einfach die Angst vor echter Verbundenheit? Ich glaube verbunden zu sein ist ein Grundbedürfnis, dass jede Seele erfahren möchte. Verbundenheit beginnt jedoch immer zuerst mit uns selbst. Wenn wir mit uns selbst nicht verbunden sind und uns richtig spüren, können wir es auch nicht mit etwas anderem sein. Verbundenheit bedeutet für mich auch, nahbar zu sein. Also frage dich mal. Will ich mit den Menschen in meinem Umfeld wirklich verbunden sein? Will ich mit dem Job, den ich habe, wirklich verbunden sein?
Abhängigkeit kann einseitig passieren. Verbundenheit benötigt jedoch immer beide Seiten. Begegnen sich zwei Menschen ohne Erwartungen und mit einem offenen Herzen, dann entsteht eine echte und tiefe Verbundenheit. Den dann und nur dann kann durch diese Verbindung auch wirklich etwas bewegt werden. Dann wird es magisch.
Hast du Abhängigkeiten in deinem Leben? Falls ja, dann frag dich nicht, wie du aus diesen Abhängigkeiten rauskommst. Frage dich, wie du wieder zu mehr Verbundenheit gelangst.
Ich glaube, wir brauchen dringender denn je wieder mehr Verbundenheit. Zu uns selbst, unseren Mitmenschen und unserer Welt. Nur wenn wir anfangen uns, wieder tief zu verbinden, werden wir in dieser Welt wirklich etwas bewegen und verändern können. Und es geht dabei um weit mehr als nur uns selbst.